Liebe Frau Botschafterin Klug, Sie sind als Berufspatin bei Berliner Schulpate aktiv. Was hat Sie bewogen, diese Idee zu unterstützen?

Der Hauptgrund war und ist, dass ich es wichtig und gut finde, dass bereits Grundschulkinder verschiedenste Berufe vorgestellt bekommen. Oft haben Kinder keine Vorstellung davon, was es für Berufe gibt, auch weil sie es aufgrund ihres familiären Hintergrundes nicht kennen, was es heißt, arbeiten zu gehen.

Der zweite Grund ist eine Neugier meinerseits, mit Kindern zusammen zu arbeiten. Berliner Schulpate bot mir eine gute Möglichkeit für einen Wissenstransfer von mir an die Kinder, auf den ich Lust hatte und habe. Dabei wusste ich zunächst nicht so genau, was mich in einer Berufe-Stunde erwarten würde. Vor allem stellte ich mir die Frage: Wie stelle ich meinen Beruf – Einzelhändlerin – überhaupt vor? Das fand ich nicht so einfach, denn der Beruf an sich, würde man denken, gibt nicht viel her, vor allem, wenn die Kinder sich vorstellen, in einem Supermarkt zu arbeiten. Da sitzt man vielleicht an der Kasse oder räumt Ware ein. Ich versuche den Kindern zu vermitteln, dass es total interessant ist, sich mit den Produkten, die man verkauft, auch zu beschäftigen. Also stelle ich ihnen z. B. verschiedene Obst- und Gemüsesorten vor, lasse sie probieren, riechen, fühlen und erraten, was das ist. Vor allem das Probieren finden sie toll. Meistens sind sie verblüfft darüber, dass es Möhren in verschiedenen Farben gibt und viele Apfelsorten. Das finde ich toll! Ich freue mich, dass dann eine Begeisterung für Lebensmittel entsteht, die man schließlich täglich zu sich nimmt. Leider haben die Kinder teilweise ein sehr rudimentäres Wissen, was Lebensmittel angeht. Viele wissen nicht mehr, woraus z. B. Nudeln gemacht werden und dass es verschiedene Getreidesorten gibt. Deshalb schweife ich auch oft in andere Themenbereiche ab. Manchmal erzähle ich über den Anbau von Gemüse oder erkläre den Unterschied zwischen einem Bio-Keks und einem konventionellen Keks, darüber, was Zucker in unserem Körper macht oder was fairer Handel bedeutet.

Im Grunde genommen versuche ich mehr, das Interesse für verschiedene Themenbereiche zu wecken, als den Beruf an sich zu erklären.

Was halten Sie von dem Konzept, bereits Grundschulkindern ab der vierten/ fünften Klasse Berufsbilder vorzustellen? Manche halten das für zu früh.

Also ich finde es gut, dass Berliner Schulpate, quasi als Vorstufe zu den gängigen Maßnahmen in den 7. oder 8. Klassen, so früh ansetzt, einfach um zu zeigen, dass es neben den bekannten Berufen wie Astronaut*in, Forscher*in, Tierarzt/ Tierärztin, Fußballer*in und Influencer*in noch viele andere Berufe gibt.

Und selber finde ich es auch interessant, was es für Berufe gibt. Man ist da ja wirklich überfordert, wenn man Berufsprofile irgendwo einfach nur so glatt liest. Da kann man sich oft wenig vorstellen. Es ist viel besser, wenn es einem Leute aus der Praxis erklären.

Ich glaube, dass man als Kind einfach miterleben sollte, dass es Leute gibt, die ihren Beruf mögen und Spaß daran haben. Dann verstehen die Kinder vielleicht auch besser, warum sie in die Schule gehen und welchen Sinn das hat. Vielleicht verstehen sie, dass sie irgendwann arbeiten müssen und die Möglichkeit haben, etwas arbeiten zu können, was sie interessiert, ihnen Spaß macht und dass es nicht nur darum geht, möglichst viel Geld zu verdienen.

 Welche Erfahrungen haben Sie mit den „Kleinen“ in den Berufe-Stunden gemacht?

Ich habe sehr unterschiedliche Erfahrungen gemacht, die allermeisten sind positiv. Die Kinder sind zum größten Teil neugierig und interessiert. Es gibt manchmal die – sagen wir Mutprobe – z. B. Ingwer zu probieren, da gibt es dann die unterschiedlichsten Reaktionen.

Scharfe Paprika, Peperoni und so, kennen sie meistens nicht. Es ist teilweise erschreckend, wie wenig die Kinder kennen. Wenn ich frage: Was esst ihr eigentlich?, höre ich oft: Döner oder Hamburger. Und wenn ich frage: Was ist denn da drin?, wissen sie es nicht. Es ist traurig, wie wenig Bezug manche Kinder zu Lebensmitteln haben. Andere wiederum berichten, dass sie morgens ein Müsli mit frischen Früchten essen – die Unterschiede sind für mich verblüffend –, weil man das alles in einer Klasse vorfindet.

Für mich ist es faszinierend, dass man so viele verschiedene Kinder kennenlernt. Das finde ich toll daran. Und es macht mich auch ein bisschen stolz, wenn Kinder am Ende einer Berufe-Stunde sagen: Also, Bioladen fand ich am spannendsten.

Ist Ihr Engagement bei Berliner Schulpate ein Teil Ihrer Strategie zur Nachwuchs-Akquise?

Nein, das würde ich nicht sagen. Nachwuchs-Akquise für unsere Branche spielt für mich keine Rolle. Unser Personal besteht aus Menschen aus unterschiedlichsten Bereichen. Die meisten verbringen bei uns eine berufliche Zwischenstation und ziehen dann weiter.

Ich verstehe mein Engagement eher als Akquise für Berufe, die eben nicht so typisch und bekannt sind wie Rechtsanwalt/ Rechtsanwältin oder Tierarzt/ Tierärztin. Und ich möchte den Kindern zeigen, dass man in seinem Leben nicht festgelegt ist. Ich selber bin dafür ja das beste Beispiel. Ich bin gelernte Tischlerin, dann habe ich Innenarchitektur studiert und 15 Jahre als Innenarchitektin gearbeitet. Durch einen Zufall hat es sich ergeben, dass ich vor sechs Jahren in den Bioladen mit eingestiegen bin. Das finde ich nach wie vor toll und vielleicht ist das meine letzte Berufsstation. Aber wer weiß?

Und ich sage den Kindern auch immer: Wenn ihr an etwas Spaß habt, dann macht das. Und wenn ihr unzufrieden seid, macht etwas Anderes. Es gibt so viele Möglichkeiten! Ich glaube, es ist gut, dass die Kinder wissen, dass man auf einen Beruf nicht für immer festgelegt ist, sondern dass man etwas ändern kann. Man hat das in der Hand.

Wie steht es in Zeiten mit Biodiscount-Ketten, Bio-Onlineshops und Ökodorf-Initiativen um inhabergeführte Bioläden?

Man sieht hier schon die Lieferanten der Ökodorf-Initiativen rumfahren, aber das tangiert uns nicht. Unser Konzept ist sehr serviceorientiert und persönlich. Wenn mich ein*e Stammkund*in fragt: Könnt ihr nicht dies oder das ins Sortiment aufnehmen? Dann nehme ich es, nach Prüfung, auf. Das kann eine LPG natürlich nicht. Ich kann die meisten Dinge zum nächsten Tag bestellen, da sind wir super flexibel. Das ist ein großer Vorteil. Wenn mal einer sein Geld vergessen hat, dann ist das auch nicht schlimm, dann kommt er halt später und bezahlt und wenn jemand den Fuß gebrochen hat, liefern wir ins Haus. Wir sind wirklich eine Art Marktplatz, ein Kieztreff, ein Tante-Emma-Laden, nur in groß. Viele treffen sich hier, man kennt sich. Wenn jemand einen Kitaplatz oder eine Wohnung sucht, dann spricht sich das rum. Und wenn wir finden, dass es wichtig ist, an einem Streik teilzunehmen, dann schließen wir den Laden auch mal für ein paar Stunden. Manchmal fühle ich mich, als wäre ich in der Lindenstraße.

Sie als unsere Botschafterin heute, was denken Sie, braucht Berlin, damit es mit dem Nachwuchs klappt, Azubis sich für einen Beruf interessieren und eine Ausbildung erfolgreich abschließen?

Ich glaube, Kinder sollten dazu motiviert werden, gerne einen Beruf zu erlernen. Die Kinder sollten früh die Möglichkeit bekommen, verschiedene Berufe kennenzulernen und genau das ermöglicht ja Berliner Schulpate. Es muss auch eine Imageverbesserung für einfache Berufe geben. Ich glaube, viele Kinder wissen nicht, dass man auch von seiner Arbeit in einem einfachen Beruf leben kann. Deshalb wollen sie alle Fußballprofi oder so werden.

Das Interview führte Petra Wermke von Berliner Schulpate.