Liebe Frau Botschafterin Koloczek, Sie sind als Berufspatin bei Berliner Schulpate aktiv. Was hat Sie damals bewogen, diese Idee zu unterstützen?

Eine befreundete Handwerkerin war bereits bei Berliner Schulpate aktiv und hatte mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte, auch mitzumachen. Und da hier im Afrikanischen Viertel im Wedding gleich bei mir ums Eck die Anna-Lindh-Grundschule ist, habe ich „ja“ gesagt. Das war 2017. Seither bin ich dabei. Mir hat der Gedanke gefallen, bei einer Art nachbarschaftlichen Aktion mitzumachen. Ich fand die Vorstellung schön, durch mein Engagement dem Viertel und der Schule etwas zu geben. Und auch mit den Schulkindern in Kontakt zu kommen und mit ihnen über meinen Beruf zu sprechen, fand ich interessant. Oft sehe ich auch die Kinder, wenn sie auf dem Weg in die Schule an meiner Werkstatt vorbeispazieren.

Was halten Sie von dem Konzept, bereits Grundschulkindern ab der vierten/ fünften Klasse Berufsbilder vorzustellen? Manche halten das für zu früh.

Also man merkt, wenn man in den Berufe-Stunden mit den Kindern spricht, dass sie häufig noch wenige oder ziemlich nebulöse Vorstellungen von Berufen haben. Das spricht dafür, sie schon in einem frühen Alter mit Berufsbildern zu beschäftigen. Manchmal wissen sie auch nicht, was die Eltern arbeiten oder sie wissen nur, was die Eltern machen. Von daher finde ich es interessant, dass sie durch Berliner Schulpate recht früh ihr Spektrum an Erfahrungen erweitern können. Da man als Kind die Lebensrealität der Eltern übernimmt, kann es nicht schaden aufzuzeigen, dass es noch anderes, auch andere Berufe, gibt und viele Möglichkeiten, sich zu orientieren, wenn man seine Interessen früh erkennt. Es müssen nicht immer die klassischen Berufe sein, die man erlernt. Sondern es sollten Möglichkeiten geschaffen werden, dass, wenn Kinder irgendwo etwas Spezielles für sich oder an sich entdecken, sie sich dafür auch öffnen können und in andere Richtungen denken können. Also, dass man frühzeitig eine gewisse Offenheit schafft, sodass die Lebensrealität um sie herum nicht unbedingt als gesetzt gilt, sondern sie erfahren können, dass es noch viel mehr gibt.

Welche Voraussetzungen sollten Jugendliche mitbringen, die sich für eine Ausbildung bzw. ein Studium als Keramiker*in bzw. Porzellan-Designer*in interessieren?

Was man auf jeden Fall braucht, neben der künstlerischen und schulischen Qualifikation, ist, dass man eine gewisse Kreativität hat. Charakterlich wichtig finde ich, dass man eine Leidenschaft in sich spürt. Man muss es mögen zu tüfteln, sollte genau, geduldig und auch enttäuschungsresistent sein. Man muss es schon sehr wollen, in diesem Beruf zu arbeiten, auch im Hinblick auf die berufliche Laufbahn. Denn es ist ein Bereich, in dem es nur wenige klassische Angestelltenverhältnisse, zum Beispiel in Produktdesign-Büros oder in Manufakturen, gibt. Man muss sehr eigeninitiativ arbeiten können und wollen.

Es gibt verschiedene Wege, Keramiker*in oder Porzellan-Designer*in zu werden. Man kann eine Ausbildung in einer Fabrik machen oder bei einem/ einer Töpfer-Meister*in in einem Handwerksbetrieb. Das ist die traditionelle Ausbildung, die drei Jahre dauert und danach kann man selber noch Meister*in werden.

Oder man kommt über ein Produktdesign- oder Kunststudium. Das ist ein anderer Weg. Man braucht Abitur, um sich dafür zu bewerben und eine Mappe, in der man seine künstlerischen Arbeiten vorstellt. Es gibt eine Eignungsprüfung und meistens wird nur ein geringer Prozentsatz der Bewerber*innen angenommen. Also ich habe im Kunststudium den Schwerpunkt Keramik studiert, eine Art Bildhauerei, aber nicht abtragend, sondern eher auftragend.

Was fasziniert Sie an Ihrem Beruf?

Ich glaube, alle Keramiker*innen haben eine große Leidenschaft für das Material – Ton –  an sich. Das gefällt mir.

Persönlich habe ich mich sehr auf das Material Porzellan eingeschossen. Was mich generell daran fasziniert ist, dass der Umgang mit Porzellan eine große Herausforderung darstellt. Das ist immer, auch nach Jahren, ein gewisses Spiel mit dem Material, sowas wie ein Dialog. Ich sage: Ich hätte gerne, dass du so oder so wirst, ich weiß, du kannst es. Am Ende kommt oft doch etwas Anderes heraus und das Material sagt: Wir machen das mal lieber so. Man kann es einfach nicht 100%ig kontrollieren. Man könnte sagen, das Material ist der Meister. Der Meister, der einem was beibringt. Das macht meine Arbeit sehr spannungs- und reizvoll.

Für mich ist es ein sehr befriedigendes Gefühl, wenn ich etwas von Anfang bis Ende produziere. Ich sehe immer, was ich geschafft habe. Das ist nicht so ein abstraktes Arbeiten wie am Rechner zum Beispiel, wo man als Teil eines Teams irgendwas eingibt, aber eigentlich nicht so richtig weiß, was damit passiert oder daraus wird. Ich freue mich ganz direkt, wenn meinen Kund*innen das Produkt gefällt und sie zufrieden sind.

Ihr Beruf der Porzellan-Designerin ist ein eher seltener Beruf. Ist Ihr Engagement bei Berliner Schulpate ein Teil Ihrer Strategie zur Nachwuchs-Akquise, obwohl sie selber nicht ausbilden?

Es ist tatsächlich ein eher seltenes Handwerk, das aber nicht vom Aussterben bedroht ist. Nachwuchsförderung –  ich weiß jetzt gerade gar nicht, ob man in meinem Metier im herkömmlichen Sinne Nachwuchsförderung betreiben möchte. Ich habe zum Beispiel eine Kollegin, sie ist Professorin und sieht sich auch mit der Frage konfrontiert, wie sie damit umgehen soll, dass Student*innen nach dem Studium keinen klassischen Berufsweg haben werden. Worauf bereitet sie sie eigentlich vor? Die Erfahrung zeigt, dass sich die meisten nach dem Studium selbständig machen und ihre Nische finden müssen. So wie ich ja auch meine Nische gefunden habe.

Sie als unsere Botschafterin heute, was denken Sie, braucht das Berliner Handwerk, damit es mit dem Nachwuchs klappt, Azubis sich für Berufe interessieren und eine Ausbildung erfolgreich abschließen?

Ich habe das Gefühl, dass generell viele Leute Interesse an meinem Beruf haben, ihn gerne erlernen und dafür auch drei Jahre Lehrzeit investieren würden.

Eine Möglichkeit, um Nachwuchs für das Berliner Handwerk generell zu interessieren, wäre es irgendwie aufzuzeigen, was in unserem Alltag wie hergestellt wird. Viele Kinder haben, glaube ich, nicht die Möglichkeit das zu erfassen. Da fällt mir nur die Sendung mit der Maus ein, die mal zeigt, wie Dinge eigentlich hergestellt werden. Wo kann man denn mal hingehen, um zu gucken, wer macht – und wie entsteht – zum Beispiel eine Hochzeitstorte oder wie wird ein Waschbecken eingebaut? Diese Einblicke laufen einem nicht einfach so über den Weg.

Das aufzuzeigen ist, glaube ich, eine gute Idee und diese Idee greift Berliner Schulpate bei den Berufe-Stunden auf.

Und eine zweite Idee: Ich glaube, dass Kinder eine abstrakte Vorstellung von vielen Dingen haben. Sie sind es einfach gewöhnt, dass alles da ist und funktioniert. Um aufzeigen zu können, wie Berufe funktionieren und speziell handwerklich – kreativ – herstellende Berufe, wäre es wichtig und hilfreich, wenn es eine Art von Kulturförderung dafür gäbe, so wie für die Musik oder im Theater.

Auch über eine Förderung von Idealismus und Interessen sollte nachgedacht werden. Damit schon früh Funken gefunden und angefacht werden können, an die man im Jugendalter anknüpfen kann.

Also ich bin auch nur zu „meinem“ Material gekommen, weil ich, seit ich 7 war, einen Kurs an einer Musik- und Kunstschule besucht habe. Wie soll man sich für einen sehr spezifischen Beruf bewerben, vorspielen oder eine Mappe zusammenstellen, wenn man davon gerade mal vor einem halben Jahr gehört hat? Da wird man nicht spontan zum/ zur Künstler*in. Also muss man früh ansetzen und gucken, was man den Kindern anbietet.

Was ich vergessen habe: Was mir eine Befriedigung schafft, ist zu zeigen, dass man im Handwerk selbständig sein kann, auch als Frau. Manche Kinder wissen nicht, dass man sein eigener Boss sein kann und dass das viel Spaß machen kann, auch wenn man manchmal finanzielle Abstriche in Kauf nehmen muss. Ich will einfach ein anderes Lebenskonzept beschreiben, das die Kinder nicht vorgelebt bekommen und somit auch nicht wissen können, dass es andere Möglichkeiten gibt.

Das Interview führte Petra Wermke von Berliner Schulpate.