Liebe Frau Botschafterin Baschin, Sie sind als Schornsteinfegermeisterin und gleichzeitig auch als Glücksbringerin unterwegs. Was hat es damit auf sich?
Es freut mich und es ist mir eine Ehre die Botschafterin des Monats November für Berliner Schulpate zu sein. Wir Schornsteinfeger*innen selber verstehen uns als Fachleute, die vor allem Sicherheit ins Haus bringen. Während viele Menschen uns eher als Glücksbringer*innen sehen. Der Aberglaube hält sich, wobei die meisten den Hintergrund nicht kennen – es würde hier zu weit führen, die Entstehung zu erzählen. Wir verteilen natürlich nicht das Glück in Tüten, aber, wenn man selbst ein bisschen daran glaubt, wer weiß, ob nicht doch ein Körnchen Wahrheit darin liegt …
Wann wussten Sie, dass Sie gerne Schornsteinfegerin werden wollen?
Ich wusste nach der Schule überhaupt nicht, was ich machen wollte. In der Oberschule gab es gerade mal ein Praktikum, dann noch ein paar Projekttage, an denen wurde gebastelt. Auf Berufe oder Berufswünsche wurde nie eingegangen. Ich habe mich dann auf ein/ zwei Stellen beworben, merkte aber schon in der Bewerbungsphase, dass ich das alles gar nicht wollte. Dann ereignete sich ein Zufall, oder war es ein Glücksfall? Der Vater einer Freundin war Schornsteinfeger, schwärmte von seinem Beruf und er weckte mein Interesse. Ich bewarb mich, bekam den Ausbildungsplatz, einen tollen Lehrmeister und top Lehrgesellen. Das ging plötzlich alles ruckzuck. Und mein eigenes Glück ging weiter. Ich hatte eine Aushilfsstelle, bekam dann eine Gesellenstelle, wurde Schornsteinfegermeisterin und übernahm einen eigenen Kehrbezirk.
Sie sind als Berufspatin bei Berliner Schulpate aktiv. Was hat Sie damals bewogen, diese Idee zu unterstützen?
Als ich von dem Projekt hörte, war ich zunächst skeptisch. Ich dachte, die Kinder sind in der 4., 5., 6. Klasse, was soll das? Das bringt nichts. Aber nach einigen Überlegungen kam ich zu dem Schluss, nein, das stimmt nicht. Mir fiel ein, dass ich es mir als Kind gewünscht hätte, dass mir jemand in der Schule seinen Beruf vorgestellt hätte. Ich möchte dazu beitragen, den Kindern neue Blickwinkel und Möglichkeiten zu eröffnen. Sie sollen erfahren, dass es viele verschiedene Berufe gibt, um sich später leichter für einen entscheiden zu können. Man kann etwas tun, ich kann etwas tun. Das ist Grund genug, bei Berliner Schulpate mitzumachen. Und ja, hätte es in meiner Kindheit schon Projekte wie Berliner Schulpate gegeben, wären vielleicht einige in einem für sie geeigneteren Beruf gelandet.
Welche Erfahrungen haben Sie mit den „Kleinen“ in den Berufe-Stunden gemacht?
Meine Erfahrungen sind durchweg positiv. Sie begegnen mir sehr respektvoll und sind meistens beeindruckt. Das mag auch daran liegen, dass ich sie in der traditionellen Zunftkleidung besuche. In den Berufe-Stunden habe ich wahrgenommen, dass die Kinder mit meinem Beruf erst mal nichts anfangen können. Sie kennen ihn einfach nicht. Aber dann kommt man ins Gespräch. Sie stellen Fragen und man spürt ihr Interesse und ihre Neugier. In diesen Momenten geht mir mein Herz auf und ich gehe jedes Mal, nachdem ich jedem Kind einen kleinen Glücksbringer geschenkt habe, fröhlich wieder nachhause. Vielleicht tragen diese Gespräche dazu bei, dass sie sich irgendwann daran erinnern, dass man was tun kann. Ich freue mich jedenfalls schon auf die nächsten Berufe-Stunden.
Wie sehen Sie das Thema „Frauen im Handwerk“? Was sind Ihre Erfahrungen, sich als Frau in der Welt des Handwerks und der Handwerker zu bewegen?
Vor allem muss man lernen den Mund aufzumachen. Das war auch für mich ein langer Prozess. Mittlerweile hat sich ein gutes Miteinander gefunden, auch mit anderen Gewerken. Ich empfinde es nicht als Nachteil, als Frau im Handwerk tätig zu sein. Im Gegenteil. Viele bewundern heutzutage uns Frauen im Handwerk. Früher war das wirklich noch anders. Das habe ich in den 90er Jahren selber erlebt. Da wurde uns nichts zugetraut. In diesem Lehrjahr haben 32 Azubis ihre Lehre begonnen, darunter zwei/ drei Mädchen pro Jahr eine Ausbildung zur Schornsteinfegerin. Das ist bei 180 Betrieben ausbaufähig, wie ich finde. Sieben oder acht Frauen haben eigene Kehrbezirke.
Gibt es etwas, was Sie den Kindern − und speziell den Mädchen – auf ihrem Weg ins „Abenteuer Beruf“ ans Herz legen möchten?
Ja. Ich sage den Kindern, und insbesondere den Mädchen: „Du kannst alles sein!“ Das sage ich auch zu meinen Kindern. Ich finde das wichtig. Gerade auch, wenn man sich manchmal etwas nicht gleich zutraut. Glaub´ an dich, bleib dran, sei mutig und wage etwas. Man schafft, was man möchte. Daran sollen sie glauben. Das ist das Allerwichtigste. Das soll ein Kind nicht vergessen, auch wenn Eltern, Geschwister oder das Umfeld etwas Anderes sagen und vorleben. Ich weiß, das ist sehr schwer. Aber wenn diese Ideen irgendwo in den Köpfen und Herzen der Kinder gespeichert werden, hat man vielleicht schon etwas bewegt.
Enrico, seit September Auszubildender bei Jessica Baschin, war bei dem Interview dabei und erzählt über seinen Weg und seine Motivation Schornsteinfegermeister werden zu wollen:
„Bei uns wurde die Heizung umgebaut und da kam ich mit dem Schornsteinfeger-Gesellen ins Gespräch. Das war in der Zeit als ich ein Praktikum für die Schule suchte. Was er erzählte interessierte mich, aber in dem Betrieb wo er arbeitete, war kein Praktikumsplatz frei. Dann habe ich mich umgehört und bei Frau Baschin angefragt. Erst sagte sie nein, sie hätte zu wenig Zeit, aber ich blieb hartnäckig. Irgendwann sagte sie, o.k., komm´ mit, danach hatte ich mein erstes Praktikum. Ich habe dann noch eins gemacht, bin auch in den Ferien hingegangen und jetzt bin ich hier Azubi und mache nebenbei mein Fachabi. Aktuell kann ich mir keinen anderen Beruf vorstellen. Es macht mir total Spaß. Und ich freue mich schon darauf, dass die Meisterin mich zu den nächsten Berufe-Stunden mitnimmt.“
Jessica Baschin ist als Schornsteinfegermeisterin und Glücksbringerin unterwegs. Seit 1996 arbeitet sie als Schornsteinfegerin in Berlin, davon 20 Jahre in Berlin-Neukölln. 2005 legte sie ihre Meisterprüfung ab und seit 2007 ist sie geprüfte Gebäudeenergieberaterin. Aktuell hat sie einen Auszubildenden.
Das Interview führte Petra Wermke von Berliner Schulpate.