Lieber Herr Botschafter Göttlich, Sie sind als Berufspate bei Berliner Schulpate aktiv. Was hat Sie bewogen, diese Idee zu unterstützen?
Vor ein paar Jahren, ich glaube es war 2019, hat mich jemand von Berliner Schulpate angerufen. Mir wurde das Grundkonzept vorgestellt und das hat mir gefallen. Insbesondere auch die Idee, Berufspat*innen kiezbezogen anzusprechen, so dass die Kinder einen Bezug zu den Unternehmen rund um die Schule herstellen können. Seither sind wir dabei.
Was für ein Image haben Apotheker*innen?
Grundsätzlich hat man ein positives Image. Die Kund*innen und Patient*innen können sich auf die Beratungsleistungen der Apotheker*innen verlassen und wir hier in unserer Apotheke genießen einen großen Vertrauensvorschuss. Das merken wir u. a. auch daran, welche Fragen uns gestellt werden. Da wird oft nochmal abgeglichen, ob das eine Medikament, das verschrieben wurde, sich auch wirklich mit dem anderen verträgt. In ländlichen Gegenden kommt der Beruf in der Kombination mit dem Arzt vor und ist ein wichtiger Bestandteil der Dorfgemeinschaft.
Was halten Sie von dem Konzept, bereits Grundschulkindern ab der fünften Klasse Berufsbilder vorzustellen? Manche halten das für zu früh.
Ich finde es nicht zu früh, Kinder schon in der Grundschule mit dem Thema Berufe in Berührung zu bringen. Man kann nicht früh genug mit der Erweiterung des Horizontes beginnen. Mir geht es nicht um „je eher, desto besser“. Ich glaube aber, dass das Alter tatsächlich genau das Richtige ist. Später ist das Erreichen der Jugendlichen deutlich schwieriger, weil sie nicht mehr so offen sind – eher gelangweilt oder sehr cool. Das hat man im Grundschulalter selten.
Ich finde das Konzept, so wie es durchgeführt wird, gut und kindgerecht: Vier Berufspat*innen sind in der Schulklasse, die Kinder werden in vier Gruppen aufgeteilt und man unterhält sich mit den Kindern jeweils ca. 20 Minuten über seinen Beruf. Da werden spannende Fragen gestellt und nebenbei lernt man selber interessante Menschen aus anderen Berufen kennen. Das alles findet in einer lockeren Atmosphäre statt. Ich glaube, das ist ein Event für die Kinder und auch für die Berufspat*innen.
Was fasziniert Sie an Ihrem Beruf?
Mir gefällt an meinem Beruf vor allem die Vielfältigkeit der Tätigkeiten und dass ich am Ende des Tages das Gefühl habe, wirklich etwas bewegt zu haben. Ich habe Medikamente abgegeben, die dringend benötigt werden, weil sie eine schwierige Erkrankung in Schach halten, habe Menschen beraten, für Abhilfe bei kleineren Wehwehchen gesorgt und ein paar Salben hergestellt.
Auch die kaufmännische Komponente ist herausfordernd: Man braucht eine gute Logistik, denn die Waren müssen schnell da sein, falls sie gerade nicht verfügbar sind. Nicht zuletzt trägt man auch ein großes Maß an Verantwortung gegenüber den Patient*innen, den Krankenkassen und den Ärzt*innen.
Wie wirken sich die Online-Apotheken auf den Apothekenmarkt aus? Was halten Sie davon?
Wir haben etwas mehr als 18.000 Apotheken in Deutschland. Jedes Jahr werden es allerdings weniger. Es ist zu beobachten, dass die etwas kleineren Kiezapotheken in der Seitenstraße schließen, während es auf der anderen Seite durchaus Standorte gibt, wo sich neue Apotheken ansiedeln, weil sich ein Bezirk verändert oder Ärztehäuser entstehen. Online-Apotheken betreiben in meinen Augen so etwas wie Rosinenpickerei. Die Apotheke vor Ort muss sehr viele Medikamente vorrätig haben und schnell besorgen können. Das erwartet man von einer Online-Apotheke nicht. Online-Apotheken konzentrieren sich gerne auf Kund*innen, die chronisch krank sind und wissen, welche Medikamente sie benötigen. Diese können vorbestellt werden und 1-2 Tage Lieferzeit sind dann kein Problem. Und wenn die Online-Apotheke sich auch noch im Ausland befindet und sie diverse Rabatte bietet, wandern manche Kund*innen doch ab. Das können wir nicht verhindern.
Aber die Apotheke vor Ort braucht auch diese chronisch kranken Patient*innen, die regelmäßig Medikamente bekommen, um die Kostenstruktur zu halten. Nur mit Akutkunden oder Laufkundschaft kann eine Apotheke vor Ort nicht überleben. Eine Apotheke zu betreiben ist nicht billig: Hochqualifiziertes Fachpersonal muss bezahlt werden, auch die Miete, die gerade in Ballungszentren hoch ist. Wir hoffen aber, dass wir durch unsere Qualität und Leistung unsere Kund*innen immer wieder davon überzeugen können, dass vor Ort eine Option ist, da zu bleiben. Aber wir merken die Auswirkungen schon.
Ist Ihr Engagement bei Berliner Schulpate ein Teil Ihrer Strategie zur Nachwuchs-Akquise für die Branche?
Nein, das ist es nicht. Ich glaube, dafür ist es dann doch tatsächlich noch zu früh. Ich mache mit, um den Kindern zu vermitteln, dass es viele andere Berufe als Schauspieler*in, Ärzt*in oder Influencer*in gibt, die den Menschen Spaß machen und womit sie ihr Geld verdienen. Aber wenn manchmal am Ende einer Berufe-Stunde gefragt wird, wer nun Apotheker*in werden möchte und sich einige melden, finde ich das schön, wohl wissend, dass es am Ende vielleicht nur eine*r ist.
Nebenbei zur Information: Die Ausbildung pharmazeutisch-technische*r Assistent*in dauert 2 Jahre plus ein halbes Jahr Praktikum. Diese schulische Ausbildung ist kostenpflichtig, ähnlich wie bei den Physiotherapeut*innen. Das ist nicht optimal. Dagegen ist die Ausbildung zur pharmazeutisch kaufmännischen Assistenz ein normaler Ausbildungsberuf. Verstehe das wer will.
Sie als unser „Botschafter“ heute, was denken Sie braucht Berlin, damit es mit dem „Nachwuchs“ klappt, dass junge Menschen sich für ein Studium oder eine Ausbildung interessieren und ein Studium oder eine Ausbildung erfolgreich abschließen?
Wir brauchen mehr Lehrer*innen! Darum sollte Berlin sich intensiv kümmern. Das halte ich für die wichtigste Voraussetzung. Die Schulzeit ist die Zeit, in der die Kinder – auch dank Berliner Schulpate, anderer Organisationen und engagierter Lehrer*innen – ersten Ideen begegnen, was sie später einmal werden können. Und wenn die Schule nicht ausreichend aufgestellt ist, um die Kinder ordentlich zu betreuen und zu begleiten, dann ist das eben so wie es jetzt häufig ist, eher schlecht.
Ich glaube, das ist wirklich etwas, was Berlin vorantreiben sollte: eine bessere Schulausbildung mit engagierten Lehrer*innen, die nicht permanent am Limit laufen, kleinere Klassen, mehr Raum. Ich kann nicht verstehen, dass sich das nicht ändert. Die Situation war schon so, als meine Kinder in die Schule gingen und das ist eine Weile her.
Das Interview führte Petra Wermke von Berliner Schulpate.