Lieber Herr Botschafter Krebes, Sie sind als Berufspate bei Berliner Schulpate aktiv. Was hat Sie bewogen, diese Idee zu unterstützen?

Wir haben bei Krebes aktuell fünf Auszubildende, die bei uns übrigens Talents heißen. Das ist super, darüber bin ich froh, denn ich habe zunehmend Mühe, unsere Ausbildungsplätze zu besetzen. Ich habe festgestellt, dass handwerkliche Berufe in den Köpfen der Kinder, wenn sie an ihre berufliche Zukunft denken, kaum mehr vorkommen. Dem möchte ich entgegenwirken. Deshalb möchte ich auf unseren Handwerksberuf aufmerksam machen und damit kann man nicht früh genug anfangen. Ich finde es wichtig, den Kindern zu zeigen, was für schöne Dinge man mit seinen Händen schaffen kann und wie befriedigend es ist, am Ende des Tages sagen zu können: „Hey, das habe ich gemacht, das ist mein Tageswerk.“ Mir gefällt der Ansatz von Berliner Schulpate. Deshalb haben wir gesagt, das wollen wir unterstützen. Wir machen schon seit ein paar Jahren dort mit.

Was halten Sie von dem Konzept, bereits Grundschulkindern ab der vierten/ fünften Klasse Berufsbilder vorzustellen? Manche halten das für zu früh.

Ich finde das Konzept gut, Kindern schon in der Grundschule einen kleinen Samen einzupflanzen und ihnen zu zeigen, dass es rechts und links viele Berufe gibt, die sie nicht kennen.

Wichtig finde ich aber auch, dass man sich dem ganzen Praktikumsthema stärker widmet, es ausbaut, aktualisiert und in den Schulen richtig verankert. In jedem Schuljahr sollten Grundschulkinder an Projekttagen regelmäßig Firmen besuchen, sodass die Kinder nicht erst in der 8. Klasse mit Betrieben in Kontakt kommen. Natürlich gibt es in der Altersstufe noch keine Praktika, aber man setzt einen Anker in der 4./ 5. Klasse, an den man später anknüpfen kann. Das ist meine Wunschvorstellung. Das würde vielen Berufsgruppen und Kids das Zusammenkommen vereinfachen. Also bei uns kommen ab und zu Gruppen vorbei und wir zeigen ihnen gerne unsere Werkstätten.

Welche Erfahrungen haben Sie mit den „Kleinen“ in den Berufe-Stunden gemacht?

Es ist unglaublich schön zu sehen, wie die Kids begeistert davon sind, wenn sie mal mit dem Hammer irgendwo draufhauen dürfen oder mit der Zange Nägel irgendwo herausziehen können. Sie spüren ihre Hände und merken, was sie damit alles machen können, außer ein Handy zu bedienen oder mit Legos was zu bauen. Mir scheint, Lego ist das Handwerklichste, was manche Stadtkids in die Finger kriegen. Ich bin im Dorf groß geworden. Habe Holzhütten gebaut und hatte ziemlich oft blaue Nägel.

Jedenfalls freut es mich, wenn manche Kinder ihre handwerklichen Fähigkeiten entdecken. Das ist toll mit anzusehen. Wenn sie wieder gehen, sind sie oft ein bisschen selbstbewusster und stolz, weil sie etwas selbst gemacht haben. Wir lassen Sie zum Beispiel aus Leder kleine Täschchen nähen.

Kontraproduktiv für das Handwerk finde ich, dass es kein Werkunterricht mehr gibt. Früher wurde im Werkunterricht mit Holz und Metall gearbeitet, gefeilt, geschliffen, gehämmert, gesägt, die Grundbausteine unseres Mittelstandes, des Handwerks, wurden gelehrt. Das hat man einfach abgeschafft und durch Informatikunterricht ersetzt. Wenn der wenigstens gut wäre, dann würde ich sagen: Alles klar. Aber das eine wurde abgesägt und das andere schlecht aufgesetzt. Wenn ich bei meiner Tochter, sie ist neun, sehe, was die da im Informatikunterricht lernen, ist es kein Wunder, dass wir in Deutschland an vielen Stellen so hinterherhinken. Wir schaufeln uns unser eigenes Grab, wenn das mit unserem Bildungssystem so weitergeht. Natürlich ist die Digitalisierung wichtig. Aber viele leben hier von handwerklichen Berufen. Wir sollen und wollen ausbilden, aber wir bekommen, wenn überhaupt, nur schlecht vorbereitete Kids, die keine handwerklichen Vorkenntnisse mehr haben, die mit ihren Händen nicht mehr viel anfangen können, bestenfalls Messer und Gabel halten. Das ist ein Thema, das mich sehr beunruhigt. 

Was fasziniert Sie an Ihrem Beruf?

Ich bin Raumausstatter, bin Handwerker mit Leib und Seele und liebe meinen Beruf. Vor 18 Jahren habe ich das Unternehmen gegründet und war damals Berlins jüngster Ausbilder im Bereich Raumausstattung. Heutzutage ist Krebes, möchte ich sagen, eine der führenden Firmen in dieser Branche in Berlin.

An meinem Beruf fasziniert mich, dass man unsere Produkte auch noch in 100 Jahren benutzen kann. Sie sind wirklich nachhaltig und könnten sogar in die Geschichte eingehen. Es macht mich unglaublich stolz, wenn wir zum Beispiel einen Sessel aufpolstern und neu beziehen, der schon 50 oder 100 Jahre alt ist, und jetzt, durch unsere Arbeit, vielleicht nochmal 100 Jahre benutzt werden kann. Der also mehrere Generationen glücklich macht und den Besitzer*innen ein Lächeln beim nach Hause kommen ins Gesicht zaubert. Das ist meine romantische Vorstellung von meinem Beruf.

Und mein tägliches Glück, das ich mir abhole, ist, wenn jemand von uns was fertig gemacht hat und das Produkt dann so schön perfekt da steht, faltenfrei, ohne Makel und ich genau weiß, dass, wenn der Kunde kommt, er sein Erbstück oder Lieblingsstück kaum wieder erkennt und so glücklich ist, wie bei kaum einem anderen Grund. Naja, vielleicht ist man genauso glücklich, wenn man sein neues Auto abholt. Wir schaffen Unikate, keine Massenware. Das ist ein schönes Gefühl.

Wie steht es um das Image der Raumausstatter*innen?

Ich würde sagen, es ist bei vielen verstaubt. Es wurde lange nichts für die Image-Auffrischung getan. Aber das holen wir jetzt nach. Wir versuchen, zusammen mit einigen Innungsmitgliedern, die Branche zu modernisieren, auch, indem wir die Jugendlichen dort abholen, wo sie sind. Wir nehmen an Messen teil, präsentieren uns auf diversen Veranstaltungen, haben Internetauftritte und nutzen Social Media-Kanäle wie Instagram und TikTok. Wir wollen die Branche zukunftsstark machen.

Früher war es so, dass sich interessierte Jugendliche in einem Handwerksbetrieb beworben und ihre Ausbildung begonnen haben. Da galt dann u.a. der Spruch der alten Handwerksmeister: Lehrjahre sind keine Herrenjahre. Mittlerweise ist es aber so, dass wir uns als Handwerksfirmen fast bei den Jugendlichen bewerben müssen. Soweit ist es gekommen. Natürlich müssen wir smart und modern sein und attraktive Add-ons, wie kostenloses Mittagessen und BVG-Karte, bieten. Und natürlich müssen wir auch unsere Ansprache anpassen. Mit den alten Sprüchen und den ihnen zugrundeliegenden Einstellungen, kommt man nicht mehr voran. Die alten Handwerker meckern darüber, dass sich keiner mehr bei ihnen bewirbt, wo ich sage: Ist doch klar! So wie du sie ansprichst, würde ich auch wegbleiben. Das geht nicht mehr, das ist eine andere Zeit. Ich würde sagen, es findet gerade ein Generationswechsel statt und die alten Silberrücken überlassen das Feld langsam den Jüngeren. Es liegt an uns, mit Digital-Firmen und internationalen Startups klug zu konkurrieren und zu schauen, dass junge Menschen bei uns im Mittelstand landen.

Der Beruf Raumausstatter*in ist ein eher seltener Beruf. Ist Ihr Engagement bei Berliner Schulpate ein Teil Ihrer Strategie zur Nachwuchs-Akquise?

Ja, genau. Unser Engagement bei Berliner Schulpate ist ein Baustein. Das ist der Anfang und es endet zum Beispiel bei einer Instagram-Kampagne, wo wir gezielt dafür werben, eine Ausbildung als Raumausstatter*in zu machen. Also gibt es viele Tools, die wir nutzen. Eines davon ist Berliner Schulpate.

Welche Voraussetzungen sollten Jugendliche mitbringen, die sich für eine Ausbildung als Raumausstatter*in interessieren?

Freude oder Interesse an Materialien, Lust, etwas basteln zu wollen, gerne mit Werkzeugen umgehen ist von Vorteil. Vielleicht hat der eine oder die andere schon in der Kindheit entdeckt, dass er/ sie gerne mit Holz spielte, mit einem Hammer umgehen konnte und dem Papa bei irgendwelchen Basteleien geholfen hat. Also eine Liebe zum Handwerklichen. Und ja, sie sollten auch Mathe, Deutsch und Englisch können, wobei die Noten nicht das Wichtigste sind. Sie sollten sich gut artikulieren können und offen sein für Neues. Offenheit ist wichtig, denn man lernt ja fast jeden Tag etwas Neues hinzu und kein Produkt ist wie das andere. Das wären gute Grundvoraussetzungen, alles andere bringen wir den Talents schon bei.

Sie als unser „Botschafter“ heute, was denken Sie, braucht Berlin, damit es mit dem „Nachwuchs“ klappt, Azubis sich für einen Beruf interessieren und eine Ausbildung erfolgreich abschließen?

Berlin sollte, aus meiner Sicht, mehr Kampagnen für die Gewinnung von Azubis für das Handwerk fahren. Das Handwerk macht starke Werbung, die machen das gut. Aber ich habe meine Zweifel, ob dadurch Nachwuchs generiert wird. Sie sprechen damit eher die Endkonsumenten an, weisen darauf hin, wie wichtig das Handwerk in unserer Gesellschaft ist und dass ohne es nichts läuft. Aber das spricht die Kids nicht an. Man müsste mehr auf TikTok, Pinterest oder Instagram mitmischen. Dort halten sich die Kinder auf. Fernsehspots funktionieren auch nicht mehr, ist alles von gestern. Jemand muss Geld in die Hand nehmen. Die Innung, „der Handwerker“, das Bildungsministerium oder wer auch immer dafür zuständig ist.

Berlin ist mehr als eine Startup-Stadt. Ist ja toll, dass wir hier viele kreative Leute haben, die Websites bauen oder Apps entwickeln. Ist alles cool, hat Wowereit super eingefädelt. Mittlerweile haben wir viel erreicht: Zalando, Google und Co. sind alle da und es fließt viel Geld. Schauen wir jedoch in die Berufsschulen, stellt man fest, dass es früher zwei Klassen gab, heutzutage ist es nur noch eine Klasse. Da muss man ja kein Hellseher sein, um abzusehen, dass irgendwann nur noch fünf Leute in einer Klasse in der Berufsschule sitzen.

Wir haben ja kein Problem mit zu wenigen Kunden oder Aufträgen. Die Kunden stehen bei allen Handwerkern Schlange. Handwerk hat nach wie vor goldenen Boden, aber das kommt bei den Talents nicht an. Wir haben eindeutig das Problem, dass wir zu wenige Talents haben, die sich für das Handwerk begeistern oder zumindest interessieren. Und wenn wir jetzt anfangen umzuschwenken, brauchen wir, nach meiner Einschätzung, bestimmt fünf Jahre, bis das Handwerk wirklich wieder als cool gilt. Wir Handwerker, auch wir Raumausstatter, werden immer weniger. Da müssen wir gewaltig aufpassen, damit der Zug nicht ganz und gar an uns vorbeifährt.

Das Interview führte Petra Wermke von Berliner Schulpate