Lieber Herr Botschafter Schaeffer, Sie engagieren sich bereits seit 2016 bei Berliner Schulpate. Warum unterstützen Sie diese Idee?

Ich bin überzeugt davon, dass wir frühzeitig auf die Schüler*innen zugehen sollten, um ihnen bewusst zu machen, warum ein guter Schulabschluss, wenige Verspätungen und Fehlzeiten und ein positives Arbeits- und Sozialverhalten wichtig sind. Darüber sprechen wir Berufspat*innen mit den Schüler*innen in den Grundschule und natürlich über die verschiedensten Berufe und Möglichkeiten von beruflichen Werdegängen.

 

Was halten Sie von dem Konzept, bereits Grundschulkindern ab der vierten Klasse Berufsbilder vorzustellen? Manche halten das für zu früh. Die meisten Maßnahmen setzen später an.

Meines Erachtens ist es wichtig, das breite Spektrum der Berufe, dort wo es möglich und sinnvoll ist, aufzuzeigen. Und in Grundschulen ist das sinnvoll. Das kindliche Interesse an Berufen, ihre Neugier und Unvoreingenommenheit sind Eigenschaften, die genutzt und vor allem ernst genommen werden sollten. Da gibt es kein „zu früh“. Natürlich nicht fachlich im Detail, sondern altersgerecht.

Einen Beruf erlernen ist wichtig. Kompetenzentwicklung beginnt früh. Da halte ich ein Begleiten von Heranwachsenden für notwendig. Viele Berufe z.B. Polizist*in, Elektriker*in oder Pflegekräfte sind den Schüler*innen bekannt. Aber den/ die Gleisbauer*in kennen sie nicht, da sich die Arbeit hinter den Kulissen abspielt und auch oft nachts getan wird. Ich möchte mit dazu beitragen, diesen Beruf etwas mehr auf die Bühne zu bringen und sichtbarer zu machen.

 

Wie erklären Sie den Kindern den Beruf „Gleisbauer*in“?

Mit einfachen Fragen, Erklärungen und Vorführungen, wie z. B.: Wer von euch ist schon mal mit der Eisenbahn, U-Bahn oder Straßenbahn gefahren? Habt ihr schon einmal eine Gleisanlage gesehen und euch gefragt, was das alles für Teile sind und wie das alles miteinander funktioniert? Da kommt man leicht ins Gespräch. Als Berufspate bringe ich ein Messgerät mit, das die Kinder ausprobieren können und auch „echte“ Schienenstücke, von denen sie meistens sehr begeistert sind, weil sie so schwer sind. Ich lege Wert darauf, dass die Kinder also eine haptische Erfahrung mitnehmen. Das wirkt mehr als viele Worte.

 

Welche Voraussetzungen sollten Jugendliche mitbringen, die sich für eine Ausbildung zum/ zur Gleisbauer*in interessieren?

Es handelt sich bei dem Beruf um einen nachhaltigen Beruf. Die Eisenbahn wird es immer geben. Gute Voraussetzungen als Azubi angenommen zu werden, hat man, wenn man über ein gewisses technisches Verständnis und über mathematische Kenntnisse verfügt. Wichtig ist auch die Bereitschaft im Team zu arbeiten, Verantwortung zu übernehmen und körperliche Fitness und „Wetterfestigkeit“ gehören auch zu den Voraussetzungen. Ohne uns als Gleisbauer*innen kann sich kein Schienenfahrzeug auch nur einen einzigen Zentimeter fortbewegen. Wir verbinden Kontinente, Länder, Städte, Familien und Freunde.

 

Wie steht´s mit dem Image dieses Berufes?

Viele denken, es handelt sich bei dem Beruf Gleisbauer*in um einen ganz besonders schweren körperlichen Beruf. Das stimmt aber so nicht mehr. Wir haben sehr gute Werkzeuge, Maschinen und Verfahrensweisen für die Instandhaltung von Gleis- und Weichenanlagen, die uns die Arbeit enorm erleichtern.

Auch vor dem Gleisbau macht die Modernisierung/ Digitalisierung keinen Halt. Der Beruf des/ der Gleisbauer*in besteht nicht nur aus hartem Anpacken, sondern aus hochkomplexen Verfahrensweisen, viel Verantwortung für die Hochgeschwindigkeit der Züge und Präzision in der Messtechnik. Dieser Wandel ist in unserer Gesellschaft allerdings leider noch nicht angekommen.

 

Hat sich das Verhalten der Azubis geändert?

Ich arbeite ja schon lange mit Auszubildenden und habe festgestellt, dass die Azubis heutzutage oft nur sehr oberflächlich informiert in die Ausbildung kommen. Eine Vielzahl von Informationen aus den Medien, vor allem dem Internet, überfluten sie zwar, aber erst während der Ausbildung landen sie in der Realität und erhalten einen gewissen, manchmal auch ernüchternden „Tiefgang“. Ein frühzeitiger Kontakt während der Schulzeit mit Ausbildungsrealitäten und beruflichen Laufbahnen wäre sehr sinnvoll. Eine strukturierte Informationsvermittlung und Sortierung von Berufssparten, z.B. Medizin, Handwerk, Büro etc., sollte frühzeitig in den Köpfen der Schüler*innen ankommen.

In den ersten Monaten der Berufsausbildung zum/ zur Gleisbauer*in wird den Auszubildenden meist bewusst, wie wichtig ihr Beruf ist und wie viel Verantwortung sie mit tragen. Wenn sie verstehen, dass ein Zug der Deutschen Bahn heute bis zu 250km/h schnell fahren kann und sie dazu beitragen können, sind sie schon ganz schön stolz. Denn es ist einfach so — und daran denken die Wenigsten: Ein korrektes Fahrzeug kann nur auf einem korrekten Gleis fahren. Das nennen wir „Zusammenspiel zwischen Rad und Schiene“.

 

Ist Ihr Engagement bei Berliner Schulpate ein Teil Ihrer Strategie zur Nachwuchs-Akquise?

Nein, dafür ist es viel zu früh. Aber durch meinen Einsatz kann ich generell auf den Beruf, die BVG und auch auf das bald anstehende Schülerpraktikum hinweisen. Denn wir haben noch eine Vielzahl von verschiedenen kaufmännischen und technisch-gewerblichen Ausbildungsberufe bei der BVG. Auch auf diese wollen wir frühzeitig aufmerksam machen. Wir betreiben hier so etwas wie Image-Pflege. Die BVG gehört zu Berlin und ist einfach jedem bekannt.

 

Sie als unser „Botschafter“ heute, was denken Sie, braucht Berlin, damit es mit dem „Nachwuchs“ klappt, Azubis sich für Berufe interessieren und eine Ausbildung erfolgreich abschließen?

Vor allem muss Berlin mehr in Bildung und Ausbildung investieren. Wir bei der BVG übernehmen Verantwortung für den Bereich der Nachwuchsgewinnung durch unseren Einsatz auf diversen Messen und Veranstaltungen. In Vier-Augen-Gesprächen vermitteln wir den jungen Menschen mehr über die Ausbildungsmöglichkeiten bei der BVG. Wir ermöglichen auch Betriebsbesuche. So können sich die Schüler*innen „live“ in unseren Ausbildungsräumen bzw. in den Gleisanlagen ein Bild von den diversen Aspekten der Ausbildung zum/ zur Gleisbauer*in machen. Auch ein duales Studium kann bei der BVG in verschiedenen Richtungen absolviert werden. Alle Möglichkeiten bei der Unterstützung zur Berufswahl, insbesondere ins Handwerk, müssen gefördert werden. Daran hängt unsere Zukunft – nicht nur in der Hauptstadt.

Das Interview führte Petra Wermke von Berliner Schulpate.