Lieber Herr Botschafter Steer, Sie sind als Berufspate bei Berliner Schulpate aktiv. Was hat Sie damals bewogen, diese Idee zu unterstützen?

Was mich bewogen hat, diese Idee zu unterstützen? Eigene Erfahrung! Ich habe selbst drei Kinder, die Jüngste ist 11.

Und es gab Einladungen von Schulen und von Kirchengemeinden, um den Konfirmanden-Unterricht zu begleiten und über das Thema Tod und Trauer zu sprechen. Die Fragen der Kinder haben mir gefallen: Warum sind Sie Bestatter geworden? Was sind die Aufgaben? Mein Opa liegt in dem und dem Grab, wie lange hält das noch?

2017 dann habe ich etwas über „Berliner Schulpate“ gelesen. Da habe ich gemeinsam mit Familie Hahn entschieden, auch in Grundschulen zu gehen und den Kindern von meinem Beruf zu erzählen. Mir ist es wichtig, den Kindern eine, also meine, Berufsalternative zu zeigen.

Wobei ich beruflich etwas Anderes gelernt habe. Ich hatte ein Fotogeschäft. Frau Hahn, die Geschäftsführerin von Hahn Bestattungen, war Kundin bei mir. Irgendwann fragte sie mich, ob ich nicht etwas Anderes machen möchte. Ich informierte mich über den Beruf des Bestattungsberaters und den Betrieb von Frau Hahn und stellte fest: Oh, große Firma, 8 Filialen, 40 Angestellte und die verschiedensten Aufgaben – das ist etwas für mich. Das war im Jahr 2005. Mittlerweile habe ich eine leitende Funktion übernommen, dazu gehört u.a. auch das Personalmanagement.

 

Was halten Sie von dem Konzept, bereits Grundschulkindern ab der fünften Klasse Berufsbilder vorzustellen? Manche halten das für zu früh. Die meisten Maßnahmen setzen später an.

Ich glaube, eine frühzeitige Aufklärung von Kindern über verschiedene Berufsarten schadet nicht. Meine beiden Großen waren auch irgendwann soweit, sich überlegen zu müssen, was sie denn werden möchten. Da haben wir ab der 10. Klasse Berufsbildungsmessen besucht. Es war für beide lange Zeit nicht auszumachen, was sie werden wollen, weil es so viele Möglichkeiten gibt. Das war ein intensiver Prozess, der auch gedauert hat und da wurde mir klar, dass man mit der Berufsorientierung ruhig schon viel früher anfangen kann.

In den „Berufe-Stunden“ greife ich den Beruf Bestatter*in, der unweigerlich zu den Themen Sterben, Tod und Trauer führt, eher spielerisch auf, nutze schöne Kinderbücher und frage die Kinder auch, ob sie selbst Erfahrungen mit Sterben und Tod haben und ob sie vielleicht schon mal ein Haustier beerdigt haben, und wenn es nur eine Biene ist. Es ist wirklich einfach, mit den Kindern über diese Themen ins Gespräch zu kommen.

 

Sie sind „Geprüfter Bestatter“. Was fasziniert Sie an Ihrem Beruf?

Ich bin nach wie vor begeistert über die große Vielfalt, die ich in meinem Arbeitsalltag erlebe. Bestatter*innen sollten Multitalente sein: emphatisch, offen, kreativ und genau, denn nach jedem Gespräch muss auch das kleinste Detail des Gehörten in den Computer eingegeben werden. Also ich finde, ich habe einen sehr vielseitigen Beruf, der auch noch Gutes bringt!

Beratungsgespräche führe ich nicht mehr jeden Tag, aber ich gebe meine Erfahrungen gerne an neue Kolleginnen, Kollegen und Auszubildende weiter. Ich weiß um die besonderen und immer unterschiedlichen Befindlichkeiten der Menschen in einem Sterbefall, um die Ideen, Wünsche und Vorstellungen, die die Angehörigen oft mitbringen, um den Ablauf einer Trauerfeier bestmöglich zu gestalten. Es ist wichtig, auf die verschiedenen Bezugspersonen der Verstorbenen eingehen zu können.

Und es gibt Sterbefälle, die besonders traurig und auch herausfordernd sind. Ich denke da an eine verstorbene Schülerin. Es trauerten nicht nur die Familienmitglieder, sondern auch 300 Mitschüler*innen aus ihrer Schule. Auch da müssen wir Wege finden, um alle mit einzubinden.

Schön ist es natürlich auch, wenn Familien nach einer Trauerfeier zu uns kommen und sich bedanken.

 

Wie nehmen die Grundschulkinder Ihren Beruf auf?

Die Kinder sind in diesem Alter noch neugierig und weitestgehend unvoreingenommen. Meistens hören sie in den „Berufe-Stunden“ erstmal zu. Wenn man ihr Interesse geweckt hat, fragen sie auch nach. Ich mag es, wenn sie mit den Fingern schnipsen, um etwas fragen oder sagen zu dürfen. Und ich habe keine Berührungsängste. Ich beantworte all ihre Fragen – natürlich immer kindgerecht.

Ich glaube, Kinder in diesem Alter nehmen den Tod anders auf als Erwachsene. Sie haben es oft schon erlebt, dass ein Schmetterling, ihr Hamster, die Katze oder der Hund gestorben sind. Das ist ganz normal.

Anders ist es natürlich, wenn beispielsweise die Oma oder der Opa stirbt. Je nach Intensität der Beziehung können Verlustängste entstehen und Ratlosigkeit darüber, wie das eigene Leben weitergehen soll. Das muss dann natürlich aufgefangen werden.

 

Welche Voraussetzungen sollten Jugendliche mitbringen, die sich für eine Ausbildung zur Bestattungsfachkraft interessieren?

Als ich vor 17 Jahren anfing, konnte man noch als Quereinsteiger mit einigen Fortbildungen Bestatter werden. Heutzutage ist es ein Ausbildungsberuf. Hahn Bestattungen bildet seit 2011 aus. Aktuell haben wir 6 Auszubildende, 3 Frauen und 3 Männer. Der mittlere Schulabschluss ist die Mindestvoraussetzung für den Beginn dieser Ausbildung. Aktuell hat die Hälfte unserer Auszubildenden das Abitur.

Menschen, die bei uns zu arbeiten beginnen – und das gilt auch für Auszubildende – sollten offen und sehr flexibel sein. Man muss auch mal ganz schnell umschalten können und sich immer wieder neu auf Beratungssituationen einstellen, denn es sitzen immer andere Menschen vor uns in einer für sie mehr oder weniger extremen Situation.

Ein großes Maß an Empathie ist unbedingt nötig. Man muss das Gespür dafür entwickeln und auch in der Lage sein, seine Hand tröstend auf die Hand der Person zu legen, die einen Sterbefall zu beklagen hat, wohl wissend, dass die Person das richtig aufnehmen wird. Auch das lernen unsere Auszubildenden und ich unterstütze sie dabei.

 

Wie steht´s mit dem Image dieses Berufes?

Prinzipiell hat der Beruf der Bestattungsfachkraft ein gutes Image. Früher ging man in einem Sterbefall zuerst zum Pfarrer. Heute führt der erste Weg oftmals zum Bestattungsinstitut, wo man erstmal seinen Kummer abladen, Trost erhalten und nötige Formalitäten erledigen kann.

Gelegentlich wird das Image durch negative Vorfälle beschädigt. Deshalb rate ich allen, sich in einem Sterbefall an ein vertrauensvolles Bestattungsunternehmen zu wenden. Also an ein Mitglied der Bestatter-Innung oder des Bundesverbandes der Bestatter.

Über den Bundesverband der Bestatter laufen auch die Ausbildungen. Das Ausbildungszentrum ist in Münnerstadt in Franken und die Berufsschule in Bad Kissingen. Alle Azubis fahren dorthin und werden dort zu Bestattungsfachkräften ausgebildet, egal, wo in Deutschland ihr Ausbildungsbetrieb liegt.

 

Ist Ihr Engagement bei Berliner Schulpate ein Teil Ihrer Strategie zur Nachwuchs-Akquise?

Ein klares „NEIN“. Unsere Branche bzw. unser Unternehmen hat keine Nachwuchsprobleme. Im Gegenteil: Wir müssen sehr vielen Bewerber*innen eine Absage erteilen. Da wir großen Wert auf eine fundierte und gut begleitete Ausbildung legen, können wir nur eine begrenzte Anzahl von Auszubildenden adäquat begleiten.

Was wir erreichen möchten, ist, Kindern früh einen Einblick in die sehr spannende und vielfältige Welt der Bestattungsfachkraft zu geben.

 

Sie als unser „Botschafter“ heute, was denken Sie, braucht Berlin, damit es mit dem „Nachwuchs“ klappt, Azubis sich für Berufe interessieren und eine Ausbildung erfolgreich abschließen?

Viele verschiedene Institutionen, wie zum Beispiel die Handwerkskammer, starten ja einiges an Werbung, um Handwerksberufe in bestimmten Zielgruppen bekannter zu machen. Auch die Initiative „Frauen im Handwerk“ so eine Maßnahme. Hahn Bestattungen ist übrigens einer der ersten Betriebe, der als qualifizierter „Frauen im Handwerk-Betrieb“ geführt wird.

Ich glaube aber auch, dass Firmen für sich selber mehr Werbung machen sollten, im Sinne von: Wir sind ein Ausbildungsbetrieb, wir sind stolz darauf und wir können das!

Vor allem aber halte ich eine frühzeitige Aufklärung über Berufe in Schulen, Sekundarstufen, Gymnasien und auf Berufsbildungs-Messen, wo sich junge Menschen informieren, für absolut wichtig. Die Jugendlichen sollten verstehen, welche Möglichkeiten ein Beruf bietet und wie die tägliche Arbeit wirklich aussieht, damit sie nicht nach zwei, drei Monaten enttäuscht sind.

Wenn vor dem Beginn einer Ausbildung realistische Aufklärung betrieben werden würde, würden vielleicht nicht so viele Azubis ihre Ausbildung in den unterschiedlichsten Branchen abbrechen.

Und wenn die Jugendlichen dann noch verstehen würden, dass sie in einigen Handwerksberufen und übrigens auch in unserer Branche, in konjunkturunabhängigen und systemrelevanten Berufen arbeiten, müsste es mit dem Nachwuchs eigentlich klappen.

Das Interview führte Petra Wermke von Berliner Schulpate.