Botschafter des Monats November: Patrick Richter, Ausbildungsleiter bei Bergmann & Franz Nachf. GmbH & Co. KG
Lieber Herr Botschafter Richter, Bergmann & Franz engagiert sich bereits seit 2018 bei Berliner Schulpate und Sie besuchen seit 2021 als Berufspate Grundschulen. Warum unterstützen Sie diese Idee?
Also ich mache das nicht alleine. Zu den Berufe-Stunden nehme ich immer zwei Auszubildende mit. Ich finde das ist eine gute Gelegenheit für sie, jungen Menschen ihre Ausbildungsberufe zu präsentieren. Sie erklären dann aus ihrer Sicht, wie die Arbeit einer Groß- und Außenhandelsfachkraft oder Fachkraft für Lagerlogistik aussieht. Sie sind nahe an den Kids dran und es fällt ihnen meistens leicht mit ihnen ins Gespräch zu kommen, auch über ihre persönlichen Werdegänge bis zur Ausbildung zu erzählen. Auf diese Weise erreiche ich, dass Schüler*innen sehr früh schon einmal von unseren Berufen gehört haben.
Was halten Sie von dem Konzept, bereits Grundschulkindern ab der fünften Klasse Berufsbilder vorzustellen? Manche halten das für zu früh. Die meisten Maßnahmen setzen später an.
Die Grundidee, bereits Grundschulkinder in die Arbeitswelt zu involvieren, ist nicht verkehrt. Klar kriegen die meisten Kinder durch ihre Eltern und ihr Umfeld Berufsfelder mit. Und die geläufigsten Berufe wie Polizist*in, Lokführer*in, Bäcker*in oder Ärzt*in kennen sie auch. Aber es gibt sehr viele Berufe, von denen sie noch nie etwas gehört haben, und mir ist wichtig, dass sie die Chance erhalten, auch mit den nicht so bekannten Berufen in Berührung zu kommen. Also von dem Beruf der Fachkraft für Lagerlogistik hatte von den Schüler*innen, die ich bis jetzt kennengelernt habe, noch niemand etwas gehört. Und davon, dass das ein Ausbildungsberuf ist, erst recht nicht.
Wie erklären Sie den Kindern den Beruf „Fachkraft für Lagerlogistik“?
Wir versuchen diesen Beruf anhand eines Memorys zu erklären und lassen vor allem Bilder sprechen. Die Kinder müssen versuchen, zwei zusammengehörende Bilderpaare zu finden und zu erklären, was das wohl sein könnte: Gabelstapler, Kleinteilelager, Regalarten, Roboterarme, Flurförderfahrzeuge etc. Auf diese Weise bringen wir ihnen spielerisch näher, was der Beruf alles beinhaltet. Wir erwähnen auch die besonderen Anforderungen des Berufes. Dass der Beruf körperlich anstrengend ist, man viel stehen muss, manchmal Schweres tragen muss und nach der Ausbildung auch bereit sein muss für den Schichtdienst. Das erschreckt die Kinder in dem Alter überhaupt nicht. Wir ernten meistens begeistertes Staunen von den Schüler*innen.
Welche Voraussetzungen sollten Jugendliche mitbringen, die sich für eine Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik interessieren?
Grundvoraussetzung für eine Ausbildung bei uns ist ein Schulabschluss mit einem Notendurchschnitt im Dreierbereich. Dann erwarten wir vor allem logisches Denken. Die Azubis sollten beispielsweise abschätzen können, wie viele Artikel in einen Karton einer bestimmten Größe passen. Sollten daran denken, dass schwere Artikel nach unten gelegt und die leichten oben drüber gepackt werden. Sie sollten die Grundrechenarten beherrschen. Da es in der Logistik gelegentlich hektisch zugehen kann, sollte man stressresistent sein und auch mit einem manchmal rauen Ton umgehen können. Sie sollten kritikfähig sein und natürlich körperlich belastbar.
Neben diesen Anforderungen versuchen wir ihnen auch gesellschaftliche Grundregeln beizubringen, wie z. B. Pünktlichkeit und Verlässlichkeit. Und sie müssen lernen zu kommunizieren. Kommunikation steht mit an erster Stelle. Sie müssen Bescheid sagen, wenn sie krank sind oder sich verspäten, wenn was passiert ist oder sie etwas auf dem Herzen haben und können nicht einfach fort bleiben. Wenn es bei dem einen oder der anderen in der Schule eine Tendenz gab zu schwänzen, läuft das bei uns nicht. Wir finden das rasch heraus und dann ist Schluss mit lustig.
Wie steht´s mit dem Image dieses Berufes?
Naja, ich hatte ja bereits einige Herausforderungen des Berufes geschildert, die nicht gerade für das beste Image sorgen. Das Schwierigste ist, das betrifft alle Logistikzentren — und uns hier bei Bergmann & Franz auch — im Dreischichtsystem zu arbeiten. Das ist für viele Arbeitnehmer*innen nicht besonders attraktiv. Deshalb denke ich, dass sich auch die Logistikbranche mehr und mehr mit der Digitalisierung von Arbeiten beschäftigen muss, wobei schon vieles digitalisiert ist. Schichtdienst ist abträglich fürs Image. Digitalisierung eher spannend.
Hat sich das Verhalten der Azubis geändert?
Man redet ja von gewissen Generationsabschnitten. Um hier up to date zu bleiben und zu verstehen, wohin die Jugend sich entwickelt, gehe ich als Ausbildungsleiter regelmäßig zu Weiterbildungen. Das klassische Format, dass da vorne eine Lehrkraft steht und mehr oder weniger über ein Thema referiert, funktioniert nicht mehr. Die Jugendlichen sind Digital Natives und durch die Social-Media-Plattformen und den Umgang mit Smartphones geprägt. Viele haben ein kurzes Auffassungs- und Konzentrationsvermögen und schalten nach fünf bis zehn Minuten ab. Das muss man im Umgang mit ihnen mitdenken und neue Formate erfinden. Gruppen durch praktische Übungen aktiv einbinden beispielsweise. Und auf die nächste Generation, die heißt wohl wieder A, glaube ich, müssen wir uns auch wieder neu einstellen.
Ist Ihr Engagement bei Berliner Schulpate ein Teil Ihrer Strategie zur Nachwuchs-Akquise?
Ja, am Ende irgendwie schon. Klar, sie sind erst in der Grundschule und haben noch einige Klassen vor sich bis zu einem Abschluss. Da vergeht noch eine Menge Zeit. Aber wenn man von 100 Schüler*innen wenigstens einen erreicht hat, der oder die sich an uns erinnert und bei uns die Ausbildung beginnt, dann ist das für mich ein Erfolg und eine Bestätigung dafür, mich weiter bei Berliner Schulpate zu engagieren.
Viele Azubis gewinnen wir durch die gute alte Mundpropaganda. Unsere Hauptkunden sind Handwerker*innen. Sie reden miteinander, tauschen sich aus, sind gute Multiplikatoren. Auch die Azubis sprechen mit den Handwerkern, erzählen ihnen von ihrer Ausbildung bei uns, dass wir Praktika anbieten, Schulen besuchen. Das spricht sich rum und aus dieser Schiene kommen dann auch einige Bewerbungen.
Doch die meisten Bewerbungen kommen übers Internet. Wir sind auf allen Internetplattformen breit aufgestellt. Auch auf fast allen Azubi-Messen. Das müssen wir auch, denn Bergmann & Franz ist tatsächlich nicht jedem bekannt (lacht).
Sie als unser „Botschafter“ heute, was denken Sie, braucht Berlin, damit es mit dem „Nachwuchs“ klappt, Azubis sich für Berufe interessieren und eine Ausbildung erfolgreich abschließen?
Schwierige Frage. Was mir dazu einfällt? Berlin könnte eine groß angelegte Werbekampagne starten, mit dem Tenor, dass eine Ausbildung heutzutage eine sehr gute Alternative zu einem Studium ist. Das könnte die Gesellschaft vielleicht mit zum Umdenken anregen. Und man müsste irgendwie die Eltern erreichen, damit für sie das Abrücken von einem akademischen Weg denkbar wird. Denn mittlerweile kann man sagen, dass man sich im Handwerk eine goldene Nase verdienen kann. Das ist nur noch nicht angekommen.
Das Interview führte Petra Wermke von Berliner Schulpate.