Botschafterin des Monats Juni: Ute Kerstan, Sozialarbeiterin
Liebe Frau Botschafterin Kerstan, Sie sind als Berufspatin bei Berliner Schulpate aktiv. Was hat Sie bewogen, diese Idee zu unterstützen?
Ich habe wahrgenommen, dass viele Kinder und Jugendliche für ihre eigenen beruflichen Zukunftsperspektiven keine Ideen haben. Wie auch? Wenn man nicht weiß, welche Berufe es gibt, geschweige denn, wo man hinwill, warum sollte man dann überhaupt Energie aufbringen, um irgendwo zu landen? Das macht keiner. Wenn man aber eine Vorstellung davon hat, wo es hingehen soll, ist es eher möglich, seinen Weg zu finden. Es geht darum, Kindern Berufsmöglichkeiten aufzeigen. Ich mache bei Berliner Schulpate mit, damit möglichst viele Kinder Ideen für ihren beruflichen Weg entwickeln können.
Was halten Sie von dem Konzept, bereits Grundschulkindern ab der vierten/ fünften Klasse Berufsbilder vorzustellen? Manche halten das für zu früh. Die meisten Maßnahmen setzen später an.
Als Berliner Schulpate mich fragte, ob ich Zeit und Lust hätte mitzumachen, dachte ich zuerst: „Hoppla, das ist ja wirklich sehr früh.“ Aber ich wollte es ausprobieren. Im Kontakt mit den Kindern merkte ich, dass es ein großes Interesse an und Offenheit für die unterschiedlichsten Berufen gibt. Und deshalb habe ich meinen kritischen Ursprungsgedanken wieder verworfen und bin seither Berufspatin.
Sie sind Sozialarbeiterin – wie erklären Sie den Kindern Ihren Beruf?
Ich sage einfach wie es ist: Ich unterstütze Menschen dabei Hindernisse, Probleme oder Krisen in ihrem Leben zu bewältigen. Das verstehen die Kinder und wir kommen leicht ins Gespräch. Oft höre ich: „Ich helfe auch gerne!“ Dann sage ich: „Siehst du, das kann man auch zu seinem Beruf machen.“
Und dann sprudeln oft die eigenen Ideen, wem sie gerne wie helfen würden. Das finde ich wichtig und schön, denn sie ahnen oder wissen schon, welche Bereiche ihnen Freude machen würde.
Wie erklären Sie den Kindern Ihren speziellen Arbeitsbereich „Wohn & Beratungshaus für Frauen in Not“?
Auch hier erkläre ich einfach wie es ist: Bei uns finden wohnungslose und von Obdachlosigkeit bedrohte Frauen mit oder ohne Kinder Beratungs- und Betreuungsangebote. Und sie können bei uns auch wohnen, solange es nötig ist.
Ist Ihr Engagement bei Berliner Schulpate ein Beitrag zur Nachwuchs-Akquise für den Bereich Soziale Arbeit?
Das würde ich eher nicht sagen. Ich bin der Meinung, wenn sich jemand für die Sozialarbeit berufen fühlt, wird diese Person den Weg in den Bereich sowieso finden. So wie es bei mir auch war.
Welche Voraussetzungen sollten Menschen mitbringen, die sich für ein Studium der Sozialarbeit interessieren?
Die sind durchaus unterschiedlich. Ich finde, es kommt auf den Bereich an. In meinem sind die Eigenschaften, die man mitbringen sollte, ziemlich klar: Offenheit, ein sensibler Umgang mit dem Anderssein und sehr viel Geduld. Das sind Eigenschaften, die in der Arbeit mit psychisch kranken Menschen sehr hilfreich sind.
Sozialarbeiter*innen in Schulen sollten darüber hinaus vielleicht noch über eine gewisse Kreativität und ein Motivationstalent verfügen. Und Sozialarbeiter*innen in einem Krankenhaus über ein Koordinations- und Organisationstalent.
Sie als unsere „Botschafterin“ heute, was denken Sie, braucht Berlin, damit es mit dem „Nachwuchs“ an Sozialarbeiter*innen klappt?
Sozialarbeiter*innen werden gebraucht und gesucht. Und es gibt ja auch viele. Aber es könnten deutlich mehr sein, wenn die Bezahlung, ähnlich wie in der Pflege, ordentlicher wäre. Auch die Arbeitszeiten sind manchmal schwierig. Ich glaube, das sind die Hauptknackpunkte dafür, dass sich junge Menschen nicht für die Soziale Arbeit entscheiden.
Ich weiß, ich weiche mit dem nächsten Gedanken etwas von der Frage ab, aber was mich wirklich beschäftigt, ist die Wohnungssituation in der Stadt. Bezahlbare Wohnungen für unsere Bewohnerinnen zu finden, ist ein großes Thema für mich. Und da ärgert mich die Ferienwohnungskultur, diese schrägen Untervermietungsmodelle, oder wohnen auf Zeit, sehr. Und es tut mir weh, dass ich für eine Mutter mit ihren vier Kindern keine Wohnung in einer Preislage finde, die das Jobcenter bezahlen würde.
Das Interview führte Petra Wermke von Berliner Schulpate.