Botschafter des Monats Januar: Thomas Haun, Geschäftsführer der Haun Heizung & Sanitär GmbH
Lieber Herr Botschafter Haun, Sie sind als Berufspate bei Berliner Schulpate aktiv. Was hat Sie damals bewogen, diese Idee zu unterstützen?
Berliner Schulpate hat mich irgendwann 2019 telefonisch kontaktiert, mir kurz die Grundidee erklärt und gefragt, ob ich als Berufspate mitmachen würde. Als ich mitbekommen habe, dass sich das Programm „Abenteuer Beruf“ hauptsächlich um Schüler*innen in Schulen in schwierigen Kiezen kümmert, war ich dabei. Ich hatte Lust und fand es sinnvoll, Kindern schon in der 5. Klasse die Vielfalt eines Berufslebens zu zeigen und ihnen, insbesondere natürlich meinen Beruf Anlagenmechaniker, der früher Gas-/Wasserinstallateur hieß, nahe zu bringen. Denn mal ehrlich: Wo sitzen Familien heute noch am Abendbrottisch zu Hause zusammen, sprechen und diskutieren miteinander, zum Beispiel über die Arbeit oder über Berufsbilder? Ich glaube, das findet nicht mehr sehr oft statt. Dazu ist Berliner Schulpate gut. Sie machen das Thema „Berufe“ schon in der Grundschule auf und ermöglichen den Kindern, miteinander über Berufe zu reden.
Was halten Sie von dem Konzept, bereits Grundschulkindern ab der fünften Klasse Berufsbilder vorzustellen? Manche halten das für zu früh, und viele Maßnahmen setzen deutlich später an.
Also, meine Berufsfindungs-Geschichte war so: Als ich 11 Jahre alt war, haben meine Eltern gebaut. Als ich aus der Schule kam, war da ein Fliesenleger tätig. Dieser Fliesenleger und seine Arbeit beeindruckten mich irgendwie und als er mich fragte, was ich mal werden wolle, war klar: Fliesenleger. Er aber meinte: Das sei nichts, das ginge auf die Knie, ich solle hoch in die erste Etage gehen, da wurde gerade das Badezimmer gebaut und dort seien die Installateure, die hätten eine viel schönere Arbeit! Sanitärarbeiten. Das Wort hatte ich noch nie gehört. Das habe ich mir dann auch angeguckt, fand das spannend und heute bin ich Anlagenmechaniker. Was ich damit sagen will: Da waren damals Personen, die mich beeindruckten und deren Arbeit ich nachvollziehen konnte. Das reichte für meine Berufsorientierung.
Ich glaube, 11-Jährige kann man leicht für etwas interessieren und ihnen eine berufliche Richtung als Idee zeigen. Das müsste in den Schulen nur vielmehr thematisiert werden. Gute Projekt-Beispiele gibt es in den nordischen Ländern, die hier leicht zu adaptieren wären. Nehmen wir an, an einer Schule steht der Umbau der Toiletten an. Wir nehmen uns einen Paten, eine Firma, bestenfalls aus der Innung, die steht mit ihren Werten da, die planen etwas für diese Schule und beziehen die Klassen mit ein in den Umbau, damit sie im Unterricht das Projekt komplett mit bearbeiten können. Von Grund auf. Sie können sehen, was alles nötig ist. Auswahl der Materialien, Berechnungen, Anfertigung von Plänen und Zeichnungen, die man lesen und verstehen können muss. Und dann baut man handwerklich alles zusammen. Dann kommt noch der Fliesenleger, der Elektriker und der Maler dazu und dann wird da eine neue Toilette draus. Die Schüler*innen haben es (fast) selber gebaut und einige Handwerksberufe ganz handfest kennengelernt. Hat noch nie stattgefunden. Wurde, meines Wissens, noch nie gemacht. Warum nicht? Keine Ahnung. Oder vielleicht doch. Erfordert ein Umdenken in der Bildungspolitik, würde ich sagen.
Welche Voraussetzungen sollten Jugendliche mitbringen, die sich für eine Ausbildung zum/ zur Anlagenmechaniker*in interessieren?
Durch den Zusammenschluss von Gas-/ Wasserinstallateuren und Heizungs- und Lüftungsbauern vor 14 Jahren, ist die Ausbildung zum/ zur Anlagenmechaniker*in recht komplex geworden. 900 Seiten Fachtheorie soll in 3,5 Jahren vermittelt werden. Das ist kaum zu schaffen, insbesondere auch, weil viele Schulabgänger*innen nicht die nötigen Voraussetzungen für diese gewerbliche Ausbildung mitbringen.
Was sollten die Jugendlichen mitbringen? Die Beherrschung der vier Grundrechenarten, sie sollten sich ausdrücken und halbwegs fehlerfrei schreiben können. Sie sollten zielstrebig sein, ausdauernd, beharrlich und über eine gewisse Frustrationstoleranz verfügen. Eigentlich wie beim Sport. Nur diese Eigenschaften fehlen vielen Jugendlichen. Sie lernen das alles nicht mehr kennen, weder im Elternhaus, noch in der Schule. Viele Schüler*innen werden irgendwie durch die Schulzeit gehievt. Alles geht easy und wenn´s nicht geht, dann geht´s halt nicht. Und ich stelle als Ausbildungsbetrieb dann fest, dass ich es mit den meisten Bewerber*innen, aufgrund der schulischen Leistungen, nicht einmal versuchen möchte.
Noch bis vor ein oder zwei Jahren hatte ich das Gefühl, dass im Grunde 90% der Lehrlinge sofort wieder weg waren. Sofort heißt innerhalb von drei Monaten. Jetzt bewerben sich zunehmend auch Geflüchtete und bei ihnen stelle ich fest, dass sie eher ihre Chancen nutzen wollen. Sind sehr eifrig dabei, obwohl sie gleichzeitig auch noch die Sprache lernen müssen. Und wir reden hier auch über Fachbegriffe. Aktuell habe ich drei Lehrlinge mit Migrationshintergrund. Ich kann nur hoffen, dass sie durchhalten und dafür stecke ich auch viel an Unterstützung rein. Es geht ums Überleben der eigenen Berufsgruppe und natürlich auch des eigenen Ladens und der Nachfolge.
Was fasziniert Sie an Ihrem Beruf?
Mir gefällt die Kombination von jeden Tag etwas Neuem zu begegnen, verbunden mit einer angenehmen Routine. Der Kontakt mit Menschen ist mir wichtig und ich gestalte und baue gerne. Auch Planungsarbeiten machen Spaß. Planen heißt allerdings, konzentriert am Stück an einer Sache zu arbeiten. Dafür fehlt mir im Alltagsgeschäft oftmals die nötige Ruhe. Da werde ich zu häufig am Tag gestört, denn manchmal warten fünf Kund*innen auf eine neue Therme. Die haben kein Warmwasser und keine Heizung. Solche Notfälle abzuarbeiten geht immer vor.
Interessant und gleichzeitig herausfordernd und komplex ist auch die Zusammenarbeit der Gewerke. Diese erfordert Flexibilität, Hintergrundwissen über andere Gewerke, vertrauensvolle Zusammenarbeit und maximale Verlässlichkeit.
Und natürlich verbringe ich viel Zeit mit der Beratung und Kommunikation mit Kund*innen, am Telefon und auch mit bürokratischen Hürden. Das gehört auch dazu.
Anlagenmechaniker*in – Wie steht´s mit dem Image dieses Berufes?
Ich glaube, das ändert sich gerade in eine positive Richtung. Also wenn wir gerufen werden, gibt es meistens ein Riesenproblem: Keine Heizung, kein Warmwasser oder Wasser läuft irgendwo unkontrolliert aus. Und wenn wir gehen, ist es so, dass alles wieder funktioniert. Also wir sind die Guten. Das heißt, unser Image bei den Kund*innen ist besser als man vielleicht denkt, aber leider profitieren wir, was Bewerbungen angeht, nicht davon. Bei den potentiellen Bewerbern – die sind nach wie vor fast alle männlich in meiner Branche – kommt das einfach nicht an.
Es kommt eher selten vor, dass sich jemand einfach so bei mir bewirbt. Ich nutze mein Netzwerk, wenn ich einen Ausbildungsplatz zu besetzen habe. Dort weiß man, dass wir ein Ausbildungsbetrieb sind und zur Verfügung stehen. In meinem Netzwerk sind diverse Fördervereine und Institutionen, die, ich sage mal, „Gestrandete“ aufnehmen. Meine Ansprechpartner*innen dort wissen, dass ich nur bestimmte Leute mit bestimmten Voraussetzungen aufnehme und da sie die Bewerber*innen kennen, weil sie sie in Betreuung haben, kann ich mich darauf verlassen, dass, wenn von dort eine Empfehlung kommt, die Chancen gut stehen, dass das klappt. Natürlich sind wir auch im Jobcenter gelistet und bei der Handwerkskammer.
Ist Ihr Engagement bei Berliner Schulpate ein Teil Ihrer Strategie zur Nachwuchs-Akquise?
Auf den ersten Blick eher nicht, zumindest nicht direkt, dafür sind die Kinder doch noch zu jung. Aber übergeordnet, wechsle ich vom betriebswirtschaftlichen Blickwinkel zum volkswirtschaftlichen, dann ja. Wenn ich das Engagement auf meine Branche und das gesamte Handwerk beziehe, dann ist es doch ein Beitrag zur Nachwuchs-Akquise. Wenn ich so eine Berufe-Stunde zusammen mit einer Polizistin, einem IT-Entwickler und einem Physiotherapeuten gestalte, dann vertrete ich das Handwerk und dann ist das schon eine Strategie, das Handwerk als Wettbewerber gegenüber den anderen spannender zu machen.
Sie als unser „Botschafter“ heute, was denken Sie, braucht das Berliner Handwerk, damit es mit dem „Nachwuchs“ klappt, Azubis sich für Berufe interessieren und eine Ausbildung erfolgreich abschließen?
Alle sollen studieren, sollen in irgendeiner Form eine akademische Ausbildung machen. Aber wenn sie mit Professor*innen sprechen, dann werden sie sagen, dass ca. 20 % der Studierenden für ein Studium nicht geeignet sind. Die sollten lieber eine gewerbliche Ausbildung machen. Auch deshalb braucht es ein Umdenken der Erwachsenen/ der Eltern gegenüber dem Handwerk. Handwerksberufe sollten bei der Berufswahl mehr mitberücksichtigt werden. Vor allem aber sollte eine realistische Einschätzung der Fähigkeiten und der Berücksichtigung der Interessen des eigenen Kindes stattfinden. Eltern sollten erkennen, dass ihr Kind vielleicht ein handwerkliches Geschick hat, es darin unterstützen und damit ggf. eigene Berufs-Traumvorstellungen für ihr Kind aufgeben.
Und dann muss natürlich, und das ist immer das Gleiche, Anerkennung stattfinden, auch in finanzieller Hinsicht. Es müssen gute, angemessene Löhne bezahlt werden. Wir als Handwerker*innen sind im direkten Geschäft mit dem Kunden/der Kundin. Bezahlt wird erst, wenn die Arbeit fertig ist. Ich glaube, wir leben in einer Zeit, in der viele Leute nicht mehr körperlich arbeiten wollen. Lieber bewegen sie, ich sage das mal so salopp, Papierstapel von links nach rechts und ich finde, ganz ehrlich, ob ein Drittel der Papiere bewegt wird oder nicht, spielt überhaupt keine Rolle. Ich plädiere für den Abbau der Bürokratie in der Verwaltung und für eine gewisse Umschichtung der Löhne. Solange Verwaltungsjobs so viel besser bezahlt werden als Jobs im Handwerk, müssen wir uns nicht wundern, dass viele sich gegen einen Handwerksberuf entscheiden.
Das Interview führte Petra Wermke von Berliner Schulpate.