Botschafter des Monats Mai: Thorsten McCarthy, Zimmermann, Inhaber von Kitaholz Berlin und Schlagzeuger
Lieber Herr Botschafter McCarthy, Sie sind als Berufspate bei Berliner Schulpate aktiv. Was hat Sie bewogen, diese Idee zu unterstützen?
Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, wie ich von Berliner Schulpate erfahren habe. Aber ich meine mich zu erinnern, dass ich im Rahmen eines Projektes in einer Schule, in der ich eine Lese-Etage eingebaut habe, gefragt wurde, ob ich nicht Lust hätte, mitzumachen. Ich war zwar nicht gerade auf der Suche nach einem ehrenamtlichen Engagement, aber das Konzept hat mir gefallen und war für mich passend, da ich im Rahmen meiner Arbeit sowieso viel in Schulen bin. Dann habe ich probeweise an einer Berufe-Stunde teilgenommen. Das hat mir viel Spaß gemacht. Seither gestalte ich die eine oder andere Berufe-Stunde mit.
Mir gefällt, dass ich in meiner Teilnahme völlig flexibel bin. Wenn Berufe-Stunden geplant sind, werde ich angefragt. Habe ich Zeit, mache ich mit, wenn nicht, dann nicht.
Sobald die Planung nach den Sommerferien losgeht, können Sie mich übrigens wieder anfragen. Vielleicht bringe ich einen Tischler mit. Dann können wir den Unterschied zwischen Tischler und Zimmermann erklären.
Wie kamen Sie zu der Entscheidung, Zimmermann zu werden und sich später selbständig zu machen?
Die Entscheidung Zimmermann zu werden, muss ich ganz ehrlich sagen, kam so irgendwie. Und von daher habe ich so viel Verständnis für die Schüler*innen, die nicht genau wissen, was sie werden wollen.
Nach dem Abitur wollte ich ein Jahr lang gar nichts machen. Meine Eltern stimmten unter der Bedingung zu, dass ich etwas Geld verdienen müsste. Also habe ich angefangen zu jobben. Ich habe Getränke ausgefahren, musste gleichzeitig Geld kassieren, im Sommer bei über 30 Grad mit frischem Führerschein. War keine lange Geschichte. Nach einer Woche habe ich den Knochenjob aufgegeben und wollte doch lieber eine Ausbildung beginnen. Da die meisten meiner Kumpel auf dem Bau gelernt haben, entschied ich mich für eine Zimmererlehre auf einem Lehrbauhof. Da habe ich irre viel gelernt und die Ausbildung hat total Spaß gemacht.
Dann war ich irgendwann Zimmermann. Merkte aber, dass ich nicht unbedingt in dem Beruf arbeiten muss. Reizvoller war es für mich in der Zeit, Taxi zu fahren, um Musik machen zu können. Ich habe als Schlagzeuglehrer gearbeitet, war Haushandwerker in der Jugendhilfe und habe nebenbei Skateboard-Rampen und Kletteranlagen gebaut. Dann hat mich mein Beruf wieder eingeholt und ich entschied mich für eine Soloselbständigkeit. Ich begann Spielplätze, Hochbetten, Skateboard-Bahnen und Kletterwände zu bauen. Heutzutage bin ich auf dem Weg, mich auf Hoch-/Spieletagen für Kitas und Lese-Etagen für Schulen zu spezialisieren. Also eher keine klassischen Zimmerei-Arbeiten.
Was ich den Kindern, neben dem Beruf des Zimmermanns, auch vermitteln möchte, ist, dass man mit seinem Beruf nicht festgelegt ist. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Erlernt einen Beruf oder studiert. Nutzt aber vor allem eure Ideen, Kreativität und Fähigkeiten und bastelt daraus das, was gut zu euch passt.
Sie sind auch Schlagzeuger. Haben Sie noch Zeit für Ihr Hobby und wie wichtig ist Ihnen Ihr Hobby?
Für mich ist es extrem wichtig, ein Hobby zu haben. Ich mache Musik, spiele Schlagzeug, bin oft im Proberaum. Dafür nehme ich mir Zeit. Das macht mich frei und emotional unabhängig davon, wenn bei der Arbeit mal etwas kompliziert läuft oder der Vermieter einem den Aufzug sperrt.
Hatte lange überlegt, ob ich mein Hobby zum Beruf machen sollte. Aber als es um Familiengründung ging, entschied ich, die Musik als Hobby zu behalten.
Was halten Sie von dem Konzept, bereits Grundschulkindern ab der vierten/ fünften Klasse Berufsbilder vorzustellen? Manche halten das für zu früh.
Also ich finde das auf keinen Fall zu früh. Man kann damit theoretisch auch schon in der Kita beginnen.
Ich habe gemerkt, dass ich diese Berufe-Stunden selber total spannend finde. Am liebsten würde ich mit den Kindern in den Kleingruppen auch hören, was die anderen Berufspat*innen über ihre Berufe erzählen. Super bei Berliner Schulpate ist, dass direkte Ansprechpartner*innen in die Grundschulklassen kommen. Das sind alles Leute, die ihre Berufe sehr mögen und das kriegen die Kinder auch mit.
Also ich finde den Ansatz, verschiedene Berufsbilder schon Kindern in der Grundschule nahe zu bringen, gut. Noch wichtiger finde ich aber, dass auch in den weiterführenden Schulen gute Informationsmöglichkeiten über verschiedenste Berufe angeboten werden. Und nicht nur theoretisch, sondern dass, wie bei Berliner Schulpate, persönliche Gespräche mit Berufsvorbildern stattfinden könnten. Ich glaube, das wäre für viele Jugendliche, und das sehe ich auch bei meinen Töchtern, die in diesem Alter sind, eine große Hilfe für die Berufsfindung.
Erschreckend ist, dass viele Kinder viele Berufe gar nicht mehr kennen. Sie wollen am liebsten Fußballprofi werden. Oder Influencer. Vielleicht wäre es für die Kinder spannend, mal einen Fußballprofi in eine Berufe-Stunde einzuladen? Jemand, der ihnen erzählt, dass er den Sport seit seinem 4. Lebensjahr betreibt, alle Ferien in einem Fußballcamp verbracht hat, sich jede Süßigkeit überlegen und jeden Tag hart trainieren muss.
Welche Erfahrungen haben Sie mit den „Kleinen“ in den Berufe-Stunden gemacht?
Komplett unterschiedliche. Keine Berufe-Stunde gleicht der anderen. Es kommt sehr darauf an, welche Kinder in den einzelnen Kleingruppen sind. Die meisten sind pfiffig, interessiert, wollen alles ganz genau wissen, sind wach und neugierig. Aber einige, das merkt man schnell, scheinen schon irgendwie eingeschlafen zu sein.
Der Hit ist es, wenn man ein technisches Spielzeug dabeihat. Ich bringe meistens das Laser-Messgerät mit. Dann muss alles ganz genau vermessen werden, der Raum und so. Das finden die Kinder interessant und das macht ihnen viel Spaß. Man muss schon auch ein bisschen ein Entertainer sein. Wenn man da nur vor sich hin erzählt, dann schwindet die Aufmerksamkeit der Kinder sofort.
Aber ich bin auch manchmal aus Berufe-Stunden gekommen und dachte: Die haben alle keine Chance. Und das liegt ja nicht daran, dass die Kinder blöd sind, sondern daran, dass keine geeigneten bildungspolitischen Strukturen geschaffen werden. Das ist ein Politikum, dass es seit ewigen Jahren gibt. Ich würde ja mal einen Blick in andere Länder empfehlen. Finnland zum Beispiel. Die Finnen finden aus irgendeinem Grund immer gute Lösungen. Aber keiner hier kommt auf die Idee zu sagen: lass doch mal gucken, was die Finnen da machen. Vielleicht machen wir mal nach, was die vormachen.
Nach einer Berufe-Stunde hat mir jedes Kind aus der Klasse eine Postkarte geschickt. War super niedlich und hat mich sehr gefreut. Aber es gab keine einzige Postkarte, wo überhaupt ein Satz richtig geschrieben war. Das hat mich erschreckt und in meiner Annahme bestätigt, dass in Problembezirken die Problemkinder sind und in diesen Schulen das Niveau schlecht ist. Das liegt nicht an den Lehrer*innen, sondern m. E. daran, dass es keine kreativen bildungspolitischen Konzepte gibt. Ein übergeordnetes Ziel könnte zum Beispiel sein: Wir haben nur Schulen, in denen alle Kinder gut aufs Leben vorbereitet werden. Und wenn wir in der einen Klasse 15 Kinder haben, die nicht so gut Deutsch sprechen, dann sollte diese Klasse irgendwie durchmischt werden und sei es, dass einige mit dem Schulbus nach Wilmersdorf gefahren werden und dort zur Schule gehen. Aber es gibt leider keine kreativen Konzepte. Sollen doch alle sehen, wo sie bleiben.
Ist Ihr Engagement bei Berliner Schulpate Teil Ihrer Strategie zur Nachwuchs-Akquise?
Da ich kein Meisterbetrieb bin, darf ich auch nicht ausbilden. Von daher ist es für mich persönlich keine Nachwuchs-Akquise. Aber ich sehe mein Engagement als Akquise für das Handwerk generell. Mich würde es total freuen, wenn sich durch Projekte wie dieses mehr Jugendliche für das Handwerk interessieren würden und nicht alle „was mit Medien“ machen wollen.
Wobei ich noch anmerken möchte: Dem Handwerk in Berlin werden viele Steine in den Weg geworfen. Insbesondere den Kleinbetrieben. Es gibt zum Beispiel keine Immobilienauflagen, dass so und so viele Flächen für Werkstätten vorgehalten oder geschaffen werden sollten. Im Gegenteil. Jeder Handwerker kann aus seinem Souterrain rausgeschmissen werden. Dann wird ein Büro daraus gemacht, oder es wird gar nicht mehr vermietet, sondern abgeschrieben.
So wird das auf die Dauer nicht funktionieren. Dann müssen alle Handwerker ins Umland abwandern und werden für viele unbezahlbar.
Auch hier wünschte ich mir mehr kreative Konzepte. Diesmal für Kleinbetriebe.
Herr McCarthy, Sie als unser „Botschafter“ heute, was denken Sie, braucht Berlin, damit es mit dem „Nachwuchs“ im Handwerk klappt, Azubis sich für einen Beruf interessieren und eine Ausbildung erfolgreich abschließen können?
Der Nachwuchs braucht Unterstützung und das Handwerk selbst auch. Es muss Möglichkeiten geben, dass man als Kleinstbetrieb nicht das ganze Risiko alleine tragen muss. Es läuft ja nicht schlecht im Handwerk. Aber es könnte noch viel besser laufen. Eine Idee dazu: Ich habe viele Anfragen für Praktika, für eine Ausbildung, auch für Meister, die arbeiten wollen. Leider muss ich dazu sagen, dass mir eine Struktur fehlt, die mir an der verwaltungstechnischen Stelle etwas zur Seite stehen würde.
Warum gibt es eigentlich keine zentrale Stelle, die den Papierkram für Auszubildende in Kleinstunternehmen übernimmt? Dann könnte ich sagen: Ich hätte gerne einen Auszubildenden, aber der ganze Papierkram hält mich davon ab. Die würden sagen: Wissen Sie was? Wir regeln alles für Sie. Kostet eine gewisse Pauschale. Ich würde sagen: Zack, mache ich. Diese zentrale Stelle könnte den Kleinstbetrieben in ganz Berlin Auszubildende verschaffen und bei der Verwaltung helfen. Wäre das nicht attraktiv? Ich jedenfalls habe keine Lust, mich durch einen Auszubildenden oder Angestellten zu meinem eigenen Sekretär zu machen.
Kreatives Denken ist an jeder Stelle gefragt.
Das Interview führte Petra Wermke von Berliner Schulpate